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ThailandZähne fletschende Barrakudas statt lächelnde Thais
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Manila – Bangkok – Phuket
Die Nacht verbrachten wir auf den typischen Flughafen-Metallbänken, die eigentlich in Reih und Glied zusammengeschraubte Einzelsitze sind, damit es einem auch ja unbequem wird, wenn man drei davon belegt und als Bett missbraucht. Zusätzlich richten die Raumklimaingenieure die Hochdruck-Kaltlufteinlassdüsen genau auf die Körperwärme ableitenden Sitzreihen aus, damit der Schlafstaub, welcher der Sandmann unermüdlich immer wieder in die Augen zu streuen versucht, möglichst sofort wieder in alle Himmelsrichtungen verweht wird. Haben sich dann doch mal ein paar Körnchen in den verklebten Augenliedern festgesetzt, und man driftet langsam ab, geht die nächste Hundertdezibel-Durchsage los (aus Hochleistungs-Richtlautsprechern, ebenfalls strategisch um die Wartehalle positioniert) und man verflucht Herrn Wong und Frau Brown, die am Kaffeetrinken sind, statt endlich einzuchecken und zum dritten (und letzten) Mal aufgefordert werden, endlich die Beine unter die Füsse zu nehmen. Erleichterung kommt erst am nächsten Morgen, wenn man im Anschlussflug sitzt, in den bequemen Budget-Airline-Sitzen, deren Rückenlehne sich gerade mal um einskommafünf Grad neigen lässt, und es die Düsentriebwerke mit monotonem Summen schaffen, einem in den wohlverdienten Schlaf zu vibrieren. Vorteil der Null-Service-Tendenz: Man wird weder durch überflüssige Fertigmahlzeiten, mit Plastikbesteck zu den unmöglichsten Tages- und Nachtzeiten serviert oder Pepsodent-Haben-Sie-noch-einen-Wunsch-Lächeln geweckt. Aber Billigflieger meist im Kurzstreckenbereich und deshalb Freude von kurzer Dauer.
Phuket
Ferienparadies Thailand? Das war einmal. Auf jeden Fall, wenn man sich das Paradies Adam-und-Eva-mässig vorstellt: romantischer überwucherter Garten mit Apfelbaum, darunter lauschige Granit-Sitzbank zum Ausbrüten lüsterner Fantasien, das Ganze in ziemlicher Abgeschiedenheit. Oder ganz einfach so: einsamer Palmen gesäumter Sandstrand. Hier jedoch Ibiza pur. Eine andere Art Garten Eden mit Mc Donalds, Bar-Street, mit Miet-Liegen überstelltem Strand, Verkehr, Lärm, rosa Bierbäuche im Sonnenglanz. Prädikat: nicht empfehlenswert.
Wir aber hart im Nehmen und unerschrocken, also ab aufs Velo und eine Runde um die Halbinsel drehen. Aller touristischer Annehmlichkeiten zum Trotz haben die Strassenbauer sich keinen Deut um die Anliegen Velofahrender gekümmert. Vermutlich nicht Hauptzielgruppe von Tui-Reisen Südostasien. Was die Klimaerwärmung betrifft, trugen wir wohl mehr zum Schmelzen der Polkappen bei, als ein röchelndes Durchschnittsmoped, wenn wir die steilen Rampen raufkletterten. Und das Mühsamste an allem war, dass die Sackgassen-Stichstrassen jeweils an die schönsten Strände runter führten, man sich aber das kühle Bad nicht leisten konnte. Ohne Witz: Man muss bezahlen, um in Phuket an gewissen Stränden im Meer baden gehen zu dürfen! Half natürlich extrem, um unseren ersten Eindruck von Thailand, dem Land der Touristenabzocker zu widerlegen.
Phuket konnten wir also nicht unbedingt zu unseren Highlights zählen. Hätten wir uns allerdings auch denken können. Wir fuhren in nördlicher Richtung, der Andaman-See entlang. Erstaunlich war, dass man überall an der Küste viele brandneue Unterkünfte mit gutem Standard antraf, die selbst wir uns leisten konnten. Bei genauerem Nachdenken war uns dann klar wieso: Die Narben des verheerenden Tsunami sind verheilt (zumindest was die touristische Infrastruktur betrifft) und dies hat zu einer Rundumerneuerung des Küstenstreifens geführt. So quasi neue, kräftige und gesunde Triebe nach einem Flächenbrand. Hinter die Kulisse konnte man ja schwer sehen, aber die Zahlen des Desasters sprechen für sich und es gibt wohl kein Bewohner dieser Region, der nicht irgendwie davon betroffen wurde. Materiell oder familiär.
Materiell wie gesagt, Wundversorgung erledigt und so viel Geld reingepumpt, dass neue Schrammen geschaffen wurden. Raumplanung existiert nicht in Thailand. Wer Geld hat, so scheint es, kann tun und lassen und vor allem bauen wo und was er will. So entstehen piekfeine Luxus-Komplexe oder einfache aber smarte Hotels. Einzig um die kollektive Infrastruktur, wie zum Beispiel Abwasserentsorgung, darum kümmert sich keiner. Was auf der anderen Seite des Zauns, respektive des Grundstücks passiert, interessiert nicht. So hat man also auch in Thailand den steten, in Asien so vertrauten, Geruch nach Abwässern in der Nase. Nicht gerade beste Publicity für die Top-Feriendestination, aber Hochglanzprospekte riechen sowieso immer lecker nach Lösungsmitteln und nicht nach Sch...
Themawechsel. Kulinarisch mit seiner vielfältigen Küche, von scharf über sauer nach süss, dem Duft exotischer Gewürze, tropischer Gewürze, frischer Früchte, Fisch, Kokosmilch und Bananenblätter noch immer zu einem gewissen Grad treu, bröckelt auch dieser Pfeiler thailändischer Kultur langsam. Soja Sauce wird durch Maggie abgelöst, Seven-Eleven-Shops mit ihrem immer gleichen Fast-Food-Sortiment verdängen die kleinen Tante-Emma-Läden. Fusion-Cuisine und Western-Food zieren die ersten Seiten der Speisekarte. Authentische Küche gibt's in den lokalen Beizen am Strassenrand aus grossen Töpfen. Und die ist scharf. Das gibt rote Köpfe, Gelächter von den Einheimischen, dafür reichlich Pfeffer im Hintern und ist somit optimale Biker-Mittagsverpflegung ;-)
Similan Inseln
In Khao Lak erwarteten uns ein Tauchboot und unsere Velo fahrenden Freunde Yvonne und Valentijn aus Holland. Nach Teheran und Kathmandu traf man sich wieder in Thailand. So verschlungen und so verschieden die Pfade dazwischen auch gewesen waren. Zusammen fuhren wir auf eine sechstägige Tauchsafari. Nicht per Stahlross diesmal (wir werden es wohl nie fertigbringen, zusammen zu radeln), sondern mit einem dreiundzwanzigmeter Holzkahn.
Nach einer schaukelnden Nachtfahrt durch die offene See konnten wir am darauffolgenden Morgen bereits vor dem Frühstück unseren ersten Tauchgang machen. Wow! Man konnte beinahe rüber nach Sri Lanka sehen, so gut war die Sicht unter Wasser. Die Similan-Inseln waren echt eine Wucht und praktisch jeder Tauchgang ein Genuss. Patrizia hatte leider ihre Mühe mit dem Druckausgleich und musste nach einigen erfolglosen Versuchen leider zwei, drei Tauchgänge streichen. Ob wir’s wohl etwas übertrieben hatten mit den Klimaanlagen in den Hotelzimmern? Luxus hat wie immer seinen Preis. Und sei es nur, den eines Schnupfens.
Die Pausen zwischen den Tauchgängen füllten wir mit Lesen, Plaudern, Hängemattenschwingen, aber vor allem mit Essen. Die Köchin zauberte viermal täglich thailändische Spezialitäten aus der Kombüse. Bald brauchen wir keinen Bleigurt mehr ... Tauchen auf einem „Liveaboard“ ist ja so viel relaxter als landbasiert. Man stolpert morgens im Badeanzug aus der Kabine, hört sich bei einem Kaffe das Tauch-Briefing an. Zwängt sich in den Nassanzug (okay, weniger gemütlich), schnallt sich die Flasche um und schwups, ist man schon im Meer. Taucht unter ... und geniesst die Schwerelosigkeit. Wenn man auftaucht und die Maske abzieht, zieht einem bereits schon der Geruch von gebratenem Speck in die Nase. So geht das den ganzen Tag. Sogar die Nachttauchgänge, für welche man sich ansonsten des ganzen Aufwandes wegen immer ein wenig überwinden muss, machen Spass. Paradoxon: Wenn es einem wegen Seekrankheit übel ist, freut man sich erst recht aufs Tauchen. Sobald man nämlich unter Wasser ist, es zu schaukeln aufhört, ist plötzlich alles wie weggeblasen. Da möchte man am liebsten gar nicht mehr auftauchen. Patrizia hat denn auch schon mal die Fische gefüttert nach dem Sprung ins Wasser, dann aber Regulator rein, Luft aus der Weste lassen, untertauschen. Und den Fischen bim futtern zugucken.
Die Mantas haben wir zwar als einzige Gruppe des ganzen Bootes verpasst, dafür sahen wir diverse Haiarten und all das Übliche und Unübliche was unter Wasser so kreucht, schwebt, schwimmt und fleucht in Hülle und Fülle. Patrizias glänzender Alu-Tank (oder war es ihr Lächeln hinter dem Regulator?) hat es einem Riesen-Barrakuda angetan, der sich mit strahlendem (oder fletschendem?) Gebiss aus dem Schwarm löste, auf sie zu schoss und mit Wucht in die Pressluftflasche knallte. Bloink. Brö blieb bloss der Mund offen (was auch ein bisschen blöd ist mit dem Regulator), statt zu Hilfe zu eilen oder die Szene zumindest bildlich festzuhalten. So viel zum Thema Beschützerinstinkt, wenn's Hart (Barrakuda) auf Hart (Tank) geht.
Krabi, Koh Lanta
Okay, ihr seht, auch wir absolvieren das Touristenprogramm. Auf dem Weg runter nach Krabi hielten wir in Phang-Nga und machten eine Bootstour durch die mangrovengesäumte Bucht. Zwischen (und durch!) Kalksteinfelsen ratterte unser typisches Longtail-Boot (so eine Art Jauchemixer mit Vierzylindermotor ohne Schalldämpfer) und brachte uns zur berühmten James Bond-Insel aus „The Man with the Golden Gun“. Ein Touristenmagnet selbst nach dreissig Jahren. Null-Null-Sieben hätte bei der Landung mit seinem schnittigen Wasserflugzeug heutzutage mindestens ein Dutzend Leute über den Haufen gefahren, so überfüllt war das Minieiland.
Das Radfahren in Thailand machte zeitweise nur bedingt Spass. Zwar ging es in recht flottem Tempo über sanfte Hügel und durch Palmenwälder auf gut ausgebauten Strassen vorwärts, jedoch machte uns der Verkehr ein wenig zu schaffen. Gut ausgebaute Fahrbahnen haben nämlich für den motorisierten Verkehr den Vorteil, dass man rasen kann, was das Zeug hält. Es war wie Radeln auf der Autobahn. Nicht mehr das fröhliche Allerlei, wie auf den Landstrassen der Nachbarländer. Brandneue, bullige Pick-ups beherrschten die Highways, und breite moderne Busse. Mehr Power unter der Haube, als für PS-Machos vernünftig wäre. Vorbei die Zeiten der knatternden Mopeds, wiehernden Esel, schnatternden Hühnern und quietschenden Veloketten.
Nach Koh Pi-Pi fuhren wir schon gar nicht, da wir nur das schlimmste von dem Eiland hörten. Und selbst an der Railay-Beach stand man sich quasi auf den Füssen. Thailand übertreibt es mit den Touristenmassen – oder umgekehrt. Wir radelten von Krabi weiter runter nach Koh Lanta und dort trafen wir doch noch auf ein paar ausgedehnte und praktisch leere Strände. Selbst die Einheimischen waren etwas lockerer und freundlicher hier. Tagsüber erkundeten wir die Insel, spielten Frisbee am Sandstrand und die Sonnenuntergänge genossen wir vom Infinity-Pool aus. So geht's doch auch!
Ayutthaya
In Ayutthaya, der ehemaligen Hauptstadt des Landes nördlich von Bangkok, wurden wir ebenfalls nass. Drei Tage lang wurde das buddhistische Neujahrsfest gefeiert. Mit viel, viel Wasser. Riesige Wasserpistolen zielten aus Häuserschluchten, Pick-Ups, voll beladen mit Wasserfässern zogen durch die Strassen und liessen keinen Zaungast trocken, Gartenschläuche erwiderten den Beschuss, Giesskannen, Kessel, Kübel, Pfannen, jeder verfügbare Behälter wurde wieder und wieder gefüllt und der Inhalt über die Bevölkerung verteilt. Wir schauten uns die grossartigen Tempel Ayutthayas per Tandem an und waren somit erstklassiges Ziel der Wasserwerfer. Aber hier Neujahr zum Glück bei fünfunddreissig Grad im Schatten.
Unser Thailandvisum lief aus und liess uns genau noch einen Tag, um das Land ohne Busse zu verlassen. Via Bangkok reisten wir per ÖV zur Grenze und staunten über die Chauffeure, welche uns ohne Murren unser Gefährt im nicht gerade geräumigen Bauch ihres Busses transportieren liessen. Und uns in Bangkok an der Hand nahmen und zur richtigen Plattform führten. Für einmal Service inklusive.
Kambodscha und Vietnam
Für knapp zwei Monate tourten wir durch Indochina, wobei wir uns in letzter Sekunde dazu entschlossen, statt durch Laos zu fahren, darüber hinwegzufliegen und direkt in Bangkok wieder aufzusetzen. Mehr dazu in den entsprechenden Kapiteln.
Lange Strandferien zum Abschluss
Viel hatten wir nicht geplant für unseren dritten Thailandaufenthalt dieses Jahres. Im ersten Abschnitt hatten wir Bangkok abgeklappert, im zweiten die Westküste besucht, nun fuhren wir für den dritten und vorerst letzten, an die Ostküste.
Yvonne und Valentijn absolvierten in Koh Tao ihre Ausbildung zum Tauchinstruktor. Eine gute Gelegenheit für uns, mit ihnen ein bisschen unter Wasser zu fachsimpeln. Der Zufall wollte es, dass zur gleichen Zeit auch noch Jen und Dan auf der Insel weilten, die beiden Tandemfahrer, welche wir ebenfalls in Nepal angetroffen hatten. So gab es viele Geschichten und Episoden, die ausgetauscht wurden. Daneben leerten wir ein paar Pressluft- und Chang-Bier-Flaschen.
Die WM machte unserem Unterfangen, die Insel nach ein paar Tagen zu verlassen, einen Strich durch die Rechnung. Zu gut wurden die Grossleinwände, die bequemen Sitzkissen und die Happy-Hour vermarktet. Trotz langer Nächte konnten wir uns dazu aufraffen, endlich unseren längst überfälligen Advanced-Tauchkurs zu absolvieren. Daneben pendelte natürlich wie immer das Damoklesschwert „Homepage“ über unseren Köpfen, welches wir mit beachtlicher Energie attackierten. Bequem von unserer Terrasse aus. Mit konstantem Kaffee-mit-Keksen-Nachschub. Daneben: Sonnenbaden, planschen im badewannenwarmen Wasser, Sonnenuntergang mit Mango- und Kokosnuss-Shake.
Sogar etwas Kultur hatte sich diesen Backpacker-Flecken im thailändischen Golf verirrt: Ein Transvestiten-Cabaret, dessen Tänzer(innen) bereits nachmittags farbig, frech und sexy auf die abendliche Show aufmerksam machte. Des Nachts bei überteuertem Drink im Scheinwerferlicht und zu den Rhythmen von ABBA, Boney M. und Tina Turner traten die geschlechtsumwandelten Frauen in Aktion. Und verwirrten uns die Sinne. Geschmeidige Wildkatzen in einem schlanken Frauenkörper männlicher Statur. Hochhackige Schuhe, knappe Hotpants, glitzernde Kleider, Federboas, extravagante Frisuren. Make-up und Tanzeinlagen erstaunlicher Präzision. Die Songs wurden so innbrünstig interpretiert, Tina T. hätte wahrhaftig alt ausgesehen.
Apropos Alter: Abgesehen von den WM-Liveübertragungen war das Nachtleben eher auf die jüngere Generation ausgerichtet. Diese Klientel traf in den Tagen nach Vollmond in Scharen ein – nachdem sie die Fullmoon-Party an den Stränden der Nachbarinsel abgefeiert hatten – und einer Heuschreckenplage gleich Koh Tao heimsuchten, die Preise in die Höhe trieben, nachmittags die Strände mit ihren knapp bekleideten schlanken eingeölten Körpern bevölkerten, abends Drinks aus grossen Kübeln schlürften und bis in die frühen Morgenstunden durch die Strassen schwankten und die restliche Bevölkerung mit sehr hochstehendem hysterisch lautem Gebabbel bei Laune hielten. Ganz so, wie wir das taten vor zwanzig Jahren. Im guten alten Llorret de Mar ... Damals gab es halt noch keine Billigflieger nach Südostasien.
Und apropos Flug: Die Zeit rauschte an uns vorbei wie im Fluge, und ehe wir uns versahen, war ein Monat vorüber, höchste Zeit, in neue Horizonte zu blicken. Es war ein rührender Abschied, den uns unsere Freunde boten. Sie begleiteten uns bis hinaus zur Fähre, die uns wieder ans Festland brachte. Es war nicht ganz einfach, der Insel, dem beschaulichen Leben, das wir uns eingerichtet hatten, den Rücken zu kehren. Aber wir hatten Lust auf Neues und waren gespannt, auf das, was uns bald in Malaysia erwarten würde.