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Oman und Vereinigte Arabische Emirate
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In fünf Stichworten
- Wüsten-(Tor-)tour
- Frisch gestärkte Nachthemden und ein Meer aus schwarzer Seide
- Weihrauch
- Greater Kerala: Indische Gastarbeiter, Chicken-Curry und Prata
- Dubai - auf Sand gebaut
Oman, von der Grenze nach Salalah
Die Steigungen hörten nicht etwa in Jemen auf, sondern zogen sich noch eine Weile dahin bis wir Salalah erreichten. Kaum mehr als ein paar Kilometer landeinwärts fuhren wir auf einem tausend Meter hohen Plateau, das zum Meer hin steil abfiel. Das bescherte uns windige Radeltage und angenehm kühle Nächte im Zelt. Es war faszinierend, zum Horizont zu blicken und im Sonnenuntergang die Kamele über die Hügelzüge wandern zu sehen. Überhaupt hatte es Unmengen von diesen süssen steckenbeinigen Höckerviechern mit ihrem etwas dümmlichen Grinsen. Sturer als Esel blieben sie jeweils mitten auf der Strasse stehen und scherten sich nicht um die vorbeifahrenden Lastwagen. Bloss wenn sich so ein langsames Tandem auf leisen Gummisohlen daherschlich, war ihnen nicht mehr so geheuer und sie nahmen schon mal Reissaus. Nun, so ganz geheuer waren uns die Kamele manchmal ja auch nicht, wenn sie einem so von oben herab anknurrten.
Salalah, Hauptstadt des Weihrauchs
In Salalah, der Hafenstadt im Süden des Landes machten wir ein paar Tage Pause. Nicht, weil es so eine tolle Stadt gewesen wäre, sondern, um unsere Knochen zu strecken. Irgendwie waren wir fast schon etwas enttäuscht von dem Ort, wo seit tausenden von Jahren Weihrauch und andere Essenzen in alle Teile der Welt exportiert werden. Okay, es war ein bunter Mix aus Afrika, Indien und Arabien, aber halt nicht so exotisch oder romantisch wie wir uns das vorgestellt hatten. Weihrauch, Dhows, orientalische Düfte und Gewürze, Händler, Märkte,... all das wurde abgelöst durch Landcruiser, Raffinerien, Containerhäfen, Fast-Food-Ketten, ... Es war einigermassen modern hier und waren die Leute, die wir auf der Strecke bis hier hin angetroffen hatten noch sehr gesprächig und interessiert gewesen, war das Leben hier ziemlich anonym. Es war ja nicht so, dass wir fröhliches Zuwinken erwartet hätten, wenn wir durch die Gassen schritten, aber nach der Herzlichkeit der Jemeniten wirkte die höfliche Zurückhaltung der Omanis schon fast etwas gar distanziert.
Noch etwas hatte sich geändert, seit wir die Grenze nach Oman überschritten hatten: Die Strassengräben waren nicht wie in Jemen mit Abfall gefüllt und auch die sogenannten „Yemeni Flowers“, die jemenitischen Blumen, rosarote und hellblaue Plastiksäcke, die an Dornenbüschen im Wind flatternd ganze Landstriche zierten, fehlten gänzlich. Oman hatte es geschafft innert dreissig Jahren vom Mittelalter in die Moderne zu gelangen und zwar in einer einigermassen „gesunden“ Art und Weise, die leider allzu selten anzutreffen ist. In Sachen Infrastruktur gab es hier wirklich kaum etwas zu bemängeln. Tipptoppe Strassen, welche praktischerweise fast immer über einen breiten Pannenstreifen verfügten und deshalb ideal zum Beradeln waren. Abfalleimer und öffentliche Toiletten am Strassenrand und, für uns zwar etwas weniger wichtig, kleine Moscheen für das Gebet unterwegs. Ein anständiges Warensortiment in den kleinen Shops und von den grossen Shoppingcentern mit ihren Starbucks-Filialen, H&M, Carrefour und Konsorte wollen wir hier schon gar nicht reden. Jede kleine Abzweigung zu einer Ortschaft verfügte an der Hauptstrasse über ziemlich genau die selbe Kombination von Shops: ein Friseur, eine Wäscherei, ein Coffee-Shop, ein kleines Restaurant, ein Viehfutter-Laden, ein Commercial Center und einen „Food & Luxuries Shop“, welcher Lebensmittel und Dinge des täglichen Gebrauchs anbot und nicht etwa Goldschmuck und Rolex-Uhren.
Nahmen wir uns jeweils die Zeit, um vom Velo abzusteigen und uns den Tee oder das Curry mit Fladenbrot im Restaurant zu genehmigen, zogen es die Einheimischen vor, einfach mit ihrem Landcruiser vorzufahren und zu hupen, und den „Kellner“ ein paar mal hin- und her zu jagen, um ihren Tee dann im klimatisierten Wagen zu trinken, ohne aussteigen zu müssen. Drive-in auf omanisch.
Vielleicht wollten sich die Herren auch einfach ihre gestärkten und frisch duftenden Dishdashas (in unseren Breitengraden auch Nachthemd genannt) nicht schmutzig machen. Keine Ahnung, wie die Omanis das anstellten, aber sie schauten zu jeder Tageszeit aus, wie frisch gebügelt und rochen herrlich nach Waschmittel und Parfum. Man konnte richtig neidisch werden in den eigenen stinkenden Radelklamotten und dem Schweiss vergangener Tage. Würde man annehmen, Dishdasha sei gleich Dishdasha, liegt man komplett falsch. Da gibt es hunderte Nuancen von Weiss und Beige und die unauffälligen Stickereien am Saum sind immer perfekt auf die bestickten Käppis abgestimmt. Manche bevorzugen es, über dem Käppi einen Turban zu tragen, welcher ebenfalls immer picobello sitzt und farblich natürlich auch abgestimmt auf die restliche Kleidung. Bei den Frauenkleidern sind die Unterschiede noch etwas kleiner aber trotzdem zu bemerken. Von Schwarz gibt es ja praktisch keine Farbnuancen aber die Qualität der Stoffe variiert extrem und bevorzugen die traditionelleren Damen gar keine oder allenfalls schwarze Stickereien auf ihren Abeyyas (schwarz auf schwarz!), zieren die progressiveren Kleider Gold, Glanz und Perlen. Man kann sich also auch mit einem beschränkten Farbsortiment und Kleidungsstil von der Masse abheben. Was Frau darunter (unter der Abeyya, nicht ganz drunter!) trägt kann man sich ausrechnen, wenn man durch die Kleidergeschäfte streunt. Jeans und enge Tops oder traditionellere extravagante Kleider, normalerweise massgeschneidert. Was darunter verborgen ist, lassen die Lingerie-Shops nur erahnen, aber prüde sind die Araberinnen ganz bestimmt nicht...
Salalah - Maskat : Wüstentour
Noch einmal trieb uns ein Jebel (Berg) den Schweiss aus allen Poren, bevor wir den grünen Küstenstreifen hinter dem Gebirgszug gegen die Trockenheit der Wüste eintauschten, die fast bis nach Maskat reicht. Gute tausend Kilometer standen uns bevor und wir beluden unser Tandem mit dreissig Liter Wasser, um die teilweise drei Tagesetappen zwischen den Oasen zu überbrücken. Je weiter wir ins Innere der Wüste kamen, desto heisser wurde es (logo). Nicht unbedingt während wir am Radeln waren, denn da hatten wir Fahrtwind, aber während der Siesta über den Mittag, wenn der Wind sich legte und wir uns unter der sengenden Sonne etwas zu erholen versuchten. Leider hatte es üblicherweise keinen Schatten weit und breit und auch unsere behelfsmässig aufgespannte Plastikplane vermochte einen heissen ausgedorrten Flecken Wüste nicht augenblicklich in eine schattige Oase zu verwandeln. Wir kamen uns vor wie Grillhähnchen: Unterhitze vom aufgeheizten Sandboden und Oberhitze von der dunkelblauen Plastikplane auf welche die Sonne mit voller Kraft brannte und die bloss Zentimeter über uns hing. Ab und zu sogar ein wenig Umluft, wenn der heisse Wind über den Boden strich und uns gleichzeitig, schweissnass wie wir waren, mit Sand panierte. Nach ein paar Tagen fragten wir uns dann doch, wozu das eigentlich gut sein sollte...
Die Nächte in dieser Einsamkeit waren aber so herrlich, dass es sich lohnte, hier durchzuradeln. Mondschein, Sterne, keine Seele weit und breit, nur wir und die Stille der Wüste. Die Abgeschiedenheit jeglicher Zivilisation und vor allem auch der Vegetation wurde uns bewusst, wenn wir einen mit Heu beladenen Lastwagen jeweils schon von weitem rochen, dieser Duft nach trockenem Gras, den man sonst wo wohl kaum wahrnehmen würde. Aber hier in der Wüste, wenn die Eindrücke so mager sind, werden die Sinne geschärft.
Nach einer guten Woche hatten wir das Gefühl, dass sich nun auch die bisher abwechslungsreiche Landschaft etwas tot gelaufen hatte und nach einem weiteren Morgen in starkem Gegenwind und mit der Aussicht auf einen Mittagsrast in der Klimakammer, entschieden wir uns für die Abkürzung per Anhalter. Glücklicherweise ist der Treibstoff hier so billig (und die Arbeitskräfte wohl auch), dass die Lastwagen oftmals halb leer in der Gegend rumfuhren. So entschieden wir uns für einen Kleinlaster mit leerer Ladefläche und klimatisierter Kabine. Wir machten es uns auf der Rückbank bequem und liessen bei einem kühlen Getränk vier Tagesetappen im Einzugstempo an uns vorbeiziehen. Auch nicht schlecht ;-)
In Adam liessen wir uns absetzen und bezogen ein kleines Guesthouse. Wie immer nutzten wir die Gelegenheit und befreiten uns und die Kleider vom Salz und Dreck der vorangehenden Radel- und Campingtage. Hotels in Oman waren nicht eben dicht gestreut - richtige Hotels gab es eigentlich bloss in den wirklich grossen Städten und Resthouses so alle paar hundert Kilometer über's Land verteilt. Und immer waren diese an der Hauptstrasse zwischen Tankstellen, Barbershops, Autoreparaturwerkstätten und Coffee-Shops anzutreffen und nicht etwa in einem Dorf oder Städtchen. Aber uns sollte es recht sein, wir hatten alles was wir brauchten. Das Essen in den kleinen Restaurants war durchwegs indisch angehaucht und wir liebten es! Curry oder Dahl mit Fladenbrot oder Fett triefenden Pratas.
Bis Maskat waren es nochmals vier Etappen, die karge Wüste lag aber hinter uns. Wir radelten munter durch herrliche trockene Wadis und über einen kleinen Hügelzug bevor wir der Ostküste Omans entgegensteuerten. Maskat 65km hiess es erst gerade noch auf einem Strassenschild, doch ein paar Kilometer später befanden wir uns schon mitten in der Agglo und mitten auf dem sechsspurigen Highway. Hier irgendwo ein lauschiges Plätzchen zu finden war hoffnungslos, also campierten wir zwischen Strasse und Militärkaserne – direkt unter der Flugschneise. Am nächsten Tag fuhren wir früh los, um einigermassen unbeschadet neben dem Stossverkehr in die Stadt einzufahren.
Maskat gibt's nicht mehr
Maskat – eine Stadt aus Tausendundeiner Nacht, ein lebendiger Hafen, von wo aus Gewürze und Waren aus dem Orient in aller Herren Länder verschifft werden, wo prall volle Säcke in Marktnischen herumstehen und Kisten unter Arkaden gestapelt sind. Wo Männer in Turbanen stundenlang feilschen und diskutieren, wo es nach heissem Tee und Wasserpfeife riecht, wo gehandelt wird und emsige Hände Ballen von Seidenstoffen herumtragen und Kamele beladen. Wo Dhows im Hafen liegen und allerhand Gesindel herumlungert. Enge Gassen, ausgetretenes Kopfsteinpflaster, Händler und Seefahrer aus Afrika, Asien und Europa. Dieses Maskat, auf das wir uns so gefreut hatten, das gibt's nicht mehr. Noch nicht mal ein touristischer Abklatsch davon. Okay, einen Suq (Markt), schön heraus geputzt für die Kreuzfahrtschiff-Touristen, mit Souvenirs hauptsächlich aus Indien, das hat die Stadtverwaltung stehen lassen. Nicht in Maskat allerdings, sondern in Matrah. Welches allerdings bloss etwa zwei Kilometer, erreichbar über die neu gebaute Strandpromenade, entfernt ist. Dort entlang spazierten wir nun.
Die Altstadt von Maskat ist wohl die Einzige auf der ganzen Welt, in welcher kein einziges altes Gebäude steht. Und nicht ein Hauch von orientalischer Geschäftigkeit war zu spüren, als wir durch das hochglanz-renovierte Stadttor schritten. Die Stadt war ausgestorben (gut, es war gerade mal wieder Siesta, und da läuft in Oman für vier Stunden so gut wie gar nichts). Aber auch sonst herrscht hier nicht reges Treiben, denn in der Altstadt gibt es eigentlich nur Regierungsgebäude und -beamte. Protzige Autos, saubere Strassen, getrimmte Hecken, schicke Gebäude. Und ein Sultan-Palast im Sindbad-Retrostil auf dessen grosszügiger Prachtallee wir die einzigen Menschen weit und breit waren. Der Hafen war voller Bagger und für Besucher sowieso gesperrt und kein Café weit und breit – wir hatten's gesehen, ein Traum geplatzt.
In Maskat wohnten wir bei Susan, die wir über CoachSurfing kennen gelernt hatten. Und mit ihr und ihrer Mitbewohnerin kriegten wir doch noch ein bisschen ein anderes Bild von der Stadt. Denn was wir bei unseren Erkundungstouren sahen, mochte uns nicht so begeistern. Susan sang in einer Band und eines Abends besuchten wir ein Konzert in einem privaten Club der staatlichen Ölgesellschaft. Die restlichen Musiker waren Inder (wie eigentlich die meisten Einwohner Omans, wie es schien) und das Publikum hauptsächlich westlich. Die Musik war okay, das Essen war schrecklich, aber Bierauswahl 1a. Wer hätte gedacht, dass wir (oder besser gesagt Brö) in einem muslimischen Land Biere aus aller Welt zu geniessen kriegt. Auch war es ein ungewohntes Bild, die Omanis in ihren traditionellen Dischdaschas Bier und Whisky bechern sehen...
Wadi Sham
Tags darauf machten wir gegen Abend einen Ausflug ins hundertfünfzig Kilometer entfernte Tiwi. Es war Donnerstag und Wochenende (hier Donnerstag und Freitag) und wir campierten am Strand und liessen uns von den Wellen in den Schlaf lullen. Am nächsten Morgen spazierten wir ins Wadi Scham, einem kleinen wunderschönen Tal, durch welches (ausnahmsweise ganzjährig) ein Bach plätschert. Hätten hier nicht Dattelpalmen den Weg gesäumt und wäre vor allem das Wasser nicht badewannenwarm gewesen, es hätte genauso gut auch im Tessiner Verzasca-Tal sein können. Die kleinen Becken luden zum Baden ein und die ganz mutigen stiegen auf die Felsen und sprangen in die kleinen Tümpel. Es war herrlich! Nachdem wir ja dauernd am Meer waren und doch nie Baden gingen, ein wahrer Genuss.
Trotzdem, dass es ein Highlight Omans sei und Oman an sich von recht vielen Touristen besucht wird, hatte es wenig Leute hier (zumindest Frühmorgens). Natürlich auch ein paar Omanis, die unter den Palmen pick-nickten und ein paar Pakistanis, die ganz zufällig nahe der Wasserbecken sassen und ganz zufällig ein bisschen hinguckten, wenn Frau ins oder – noch spannender – aus dem Wasser stieg. Wer konnte ihnen das, fernab der Heimat, schon verübeln...
Pakistanis (und Afghanis und Inder und Nepalesen) machen hier das Gros der Arbeiter in praktisch allen Bereichen aus. Omanis beschränken sich auf nette Jobs in der Verwaltung, bei der Polizei oder beim Militär. Nicht ganz so krass, wie in den Emiraten, aber dazu später.
Maskat – Al Buraimi
Unser Visum war noch eine Woche lang gültig, also machten wir uns auf den Weg Richtung Norden und Vereinigte Arabische Emirate. Immer schön entlang der Autobahn. Aber zum Glück hatte es jeweils eine Strasse die parallel entlangführte und auf der die Fahrzeuge in deutlich angemessenerem Tempo unterwegs waren. Trotzdem die Strasse auf der Karte relativ nahe an der Küste entlang führte, schafften wir es gerade mal auf zirka zwei Kilometern (von dreihundert!) einen Blick auf das Meer zu erhaschen. Natürlich wurde auch mit Campieren am Strand nichts, aber trotzdem genossen wir es einmal mehr, dass es hier so einfach war zu Zelten. Selbst dann, wenn wir unser Camp nahe eines Dorfes oder Städtchens aufstellten, brauchte man sich keine Sorgen darüber zu machen, dass man belästigt würde. Wenn mal jemand vorbeischaute, dann höchstens, um einem zum Tee einzuladen. Selbst die Jungs (in anderen Ländern ja häufig äusserst vorwitzig und frech) blieben in angemessenem Abstand oder kamen nur kurz vorbei, um interessiert Fragen zu stellen. Ansonsten hatten man aber den Platz für sich alleine.
Die zwei letzten Etappen nach den Emiraten führten über einen Gebirgszug, nicht sonderlich hoch, aber dafür mit stetigem und teilweise recht massivem Gegenwind. Abgesehen davon aber war es wieder Oman pur, einsam, trocken und karg – eine herrlich faszinierende Landschaft. Der omanische Grenzübergang lag unerwarteterweise vierzig Kilometer vor der eigentlichen Grenze, weshalb wir die letzte Nacht quasi im Niemandsland verbrachten, bevor wir am nächsten Tag in die Emirate einreisten.
Al Ain (Vereinigte Arabische Emirate) – Eine Oase
Nicht nur im eigentlichen, auch im übertragenen Sinn war Al Ain für uns eine Oase. Das Wüstenstädtchen wurde unser Zuhause und Zufluchtsort für die drei Wochen, die wir in den Emiraten verbrachten. Eigentlich hatten wir ja geplant, in ein paar Tagen durchzuradeln, ohne viel Zeit zu verlieren. Aber ihr kennt uns ja …
Wir durften bei Daniel, einem offenherzigen Amerikaner, der hier an der Uni unterrichtet, wohnen und genossen es in vollen Zügen. Nicht nur, weil wir sein Wohnzimmer in Beschlag nehmen durften (mit TV direkt vor dem improvisierten Bett) und von Internet über Relax-Sessel bis hin zum gigantischen Kühlschrank mit integrierter Eismaschine und einer Espressokanne mit Illì Café einfach alles vorhanden war, was man sich wünschen konnte. Es waren vor allem die herrlich interessanten und unterhaltsamen Abende, die wir über einem feinen Essen und einem guten Glas Wein (!) mit unserem Gastgeber verbrachten. Daniel ist ein passionierter Koch und wir verbrachten Stunden in diversen Supermärkten (der Bio-Abteilung hauptsächlich) und in der Küche. Gemeinsam zauberten wir Fusion-Rezepte aus aller Welt auf den Tisch und liessen die Seele baumeln. Wir entdeckten unsere Vorliebe für elegante Martinis und deckten uns im Liqueur Store (einer unmarkierten Tür in einem Hinterhof) mit Bier und Wein aus aller Welt ein. Im Pork Shop gab’s Chorizo, Schinken und Schweinebraten und unser Leben in den Emiraten verlief folglich nicht ganz HALAL, dafür FUN.
Abu Dhabi – Visa Run
Nun, ganz so fun war es nicht immer, denn unsere Hauptaufgabe in den Emiraten war, die Visa für die Weiterreise zu organisieren. Dafür fuhren wir zuerst nach Abu Dhabi; mit dem Bus allerdings und nicht mit dem Velo. Abu Dhabi ist ein recht netter Ort. Nicht gerade eine Stadt für Fussgänger, aber wenn man sich an den Stosszeiten vorbei-organisieren kann, erwischt man ab und zu sogar ein Taxi für die längeren Strecken. Wir wohnten mitten im Zentrum und es war nicht sehr weit bis zu einfachen (libanesischen – yummy!) Restaurants und auch die Corniche war zu Fuss erreichbar. Dort konnte man mit Blick aufs Meer Glacé schlecken oder sich im Sonnenuntergang eine Shisha genehmigen. Wir klapperten die Sehenswürdigkeiten ab (was relativ schnell gemacht ist in einer Stadt, die vor fünfzig Jahren noch aus Palmhütten bestand), ansonsten, das selbe Prozedere jeden Tag: per Taxi zu den verschiedenen Botschaften (Iran, Turkmenistan, Usbekistan), mit dem Resultat, dass wir binnen Wochenfrist zwei der drei Visa im Sack hatten und nach Dubai weiterreisen konnten.
Nicht allerdings, ohne uns zuvor noch einen Tag lang ein Auto zu mieten und in die Wüste, zur Liwa-Oase rauszufahren. War auch mal cool, mit hundertzwanzig Sachen in der Gegend rumzublochen (leider hatte der Wagen ein nervtötendes Warnsignal, welches in Aktion trat, wenn man diese Geschwindigkeit überschritt). Klimaanlage an, Radio aufdrehen und losbrausen. Gut, das mit dem Radio war ein bisschen auf der Verliererseite, da Senderauswahl nicht wirklich gross. Arabisches Gedudel (nach einer Weile nervtötender, als dar Höchstgeschwindigkeits-Piepser) oder den rezitierten Koran mit seinem einlullenden Singsang. Wenn uns jemand gesehen hätte: „De Wend i de Haar, met Allah Akbar“.
Dubai – Ein Blick hinter die Fassade
Vereinigte Arabische Emirate = Dubai = Shopping = Luxus = Kamele, Sand und Meer = Arabien = Ölscheichs = Wolkenkratzer = Glitzer, Glanz und Gloria. Dies ist, was und die Hochglanzprospekte vormachen, aber Dubai ist vor allem eines: gutes Marketing. Wie wir die Stadt erlebten (abseits der Touristenpfade) und vor allem, was hinter den Kulissen der Metropolis vor sich geht ist gelinde gesagt haarsträubend. Alles auf Sand gebaut, von einer Armada von asiatischen Sklaven, mit dem Know-how westlicher Profiteure und künstlich am Leben gehalten von den Öl-Dollars aus dem Nachbaremirat Abu Dhabi. Die Emiratis, die gerade noch fünfzehn Prozent der Bevölkerung ausmachen, sind innert dreissig Jahren von Schafe züchtenden Nomaden zu Geschäftsleuten mit zu viel Geld und Macht mutiert, und das merkt man. Arroganz, Naivität und eine junge Generation von Männern und Frauen, denen alles in den Schoss gelegt wird. Wer Englisch versteht, kann sich zum Beispiel diesen schockierenden Artikel zu Gemüte führen. Hier wird einfach alles gemacht, was Gott (oder besser gesagt: Allah) verboten hat, wenn es denn nur Geld bringt oder noch besser, einen Rekord aufstellt. Dubai ist ein Ort der dritten Steigerungsform und kaum etwas hier ist nicht das grösste, längste, erste, höchste,... Aber Superlative sind ja nicht per se positiv – die Umwelt wird mit Händen und Füssen getreten, genau so wie die afghanischen und pakistanischen Gastarbeiter.
Vor allem Brö wurde in dieser Stadt richtig aggressiv – es war zu heiss, die Leute zu unfreundlich, es herrschte zu viel Ungerechtigkeit, der Verkehr eine Katastrophe, der ÖV unorganisiert und unberechenbar, wirklich kein besonders angenehmer und entspannter Ort, um sich zu verweilen. Dubai hat uns nicht wirklich gefallen und wir waren richtig froh, als wir zurück in unsere Oase fahren durften.
Ein Kreuz im Pass
Dass uns, mit unserem schönen roten neutralen Schweizer Pass, die Einreise in irgendein Land verweigert wird, damit hätten wir wirklich nicht gerechnet. Aber die Turkmenen wollten uns nicht mal ein Transitvisum spendieren. Dabei hat uns der nette Konsul so von seinem Land vorgeschwärmt und so richtig den Speck durch die Nase gezogen. Nicht, dass wir nun unbedingt Turkmenbaschis Erbe sehen mussten, aber die einzige für uns sinnvolle Route nach Zentralasien führte nun halt einmal durch die Karakum. Afghanistan hielten wir vorderhand für „off limits“ und der Umweg über Aserbaidschan – Kaspisches Meer - Kasachstan passte auch nicht ins Konzept. Das Usbekistan-Visum hatten wir natürlich so geplant, dass jetzt eine Lücke von ein paar Tagen in unserem Pass klaffte, in der wir uns quasi in Luft hätten auflösen müssen. Zum Glück waren die Usbeken etwas netter und vor allem flexibler als die Turkmenen und eine Busreise nach Abu Dhabi später waren die Daten so zurechtgebogen, dass wir nun zumindest mit dem Flugzeug nach Zentralasien gelangen und den Turkmenen von oben herab die Zunge rausstrecken konnten.
(Velo-)gefahrene Kilometer in den UAE: Null
Das Paket mit Ersatzteilen aus der Schweiz war eingetroffen, das Iranvisum hatten wir im Sack und auch die zweite Staffel „Six Feet Under“ hatten wir in einigen langen Nächten durchgerattert (wir wurden von unserem Gastgeber dazu „genötigt“, uns diese TV-Serie reinzuziehen ;-) Also machten wir uns auf den Weg. Da uns alle innigst davon abrieten, mit dem Velo zur Küste zu bolzen (und es uns ehrlich gesagt auch nicht sonderlich anmachten auf den Autobahnen hierzulande zu radeln), verluden wir unser Tandem auf einen Pick-up und brausten nach Schardscha. Für die ersten hundert Kilometer zur Hafenstadt brauchten wir eine Stunde, für die letzten fünf das doppelte. Das zeigt ungefähr das Ausmass des unglaublichen Verkehrschaos rund um Dubai. Als wir am nächsten Tag per Velo zum Hafen fuhren, hielt uns die Polizei an und meinte, dass es verboten sei, hier Rad zu fahren. Nun, wie immer taten wir’s trotzdem, liessen unsere Pässe abstempeln und fuhren in den Bauch der Fähre nach Iran und liessen die Emirate mit zwiespältigen Gefühlen hinter uns.